Denn mein Engel ist bei euch und
wird auf euer Leben achten
Denn mein Engel ist bei euch und wird auf euer Leben achten.
Bar 6, 6
„...Wer hat ihren Eckstein gelegt, als die Sterne geboren wurden, mich mit lauter Stimme alle meine Engel lobten?“
Hi 30, 6
Nachdem Gott vorzeiten vielfach und auf vielerlei Weise geredet hat zu den Vätern durch die Propheten, hat er zuletzt in diesen Tagen zu uns geredet durch den Sohn (Jesus Christus), den er eingesetzt hat zum Erben über alles, durch den er auch die Welten gemacht hat. Er ist der Abglanz seiner Herrlichkeit und das Ebenbild seines Wesens und trägt alle Dinge mit seinem kräftigen Wort und hat vollbracht die Reinigung von den Sünden und hat sich gesetzt zur Rechten der Majestät in der Höhe und ist so viel höher geworden als die Engel, wie der Name, den er ererbt hat, höher ist als ihr Name.
Der Sohn ist höher als die Engel: Denn zu welchem Engel hat Gott jemals gesagt: »Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt«? Und wiederum: »Ich werde sein Vater sein und er wird mein Sohn sein«? 6 Und abermals, wenn er den Erstgeborenen einführt in die Welt, spricht er: »Und es sollen ihn alle Engel Gottes anbeten.« Von den Engeln spricht er zwar: »Er macht seine Engel zu Winden und seine Diener zu Feuerflammen«, aber von dem Sohn: »Gott, dein Thron währt von Ewigkeit zu Ewigkeit, und das Zepter der Gerechtigkeit ist das Zepter deines Reiches. Du hast geliebt die Gerechtigkeit und gehasst die Ungerechtigkeit; darum hat dich, o Gott, dein Gott gesalbt mit Freudenöl wie keinen deiner Gefährten.« Und: »Du, Herr, hast am Anfang die Erde gegründet, und die Himmel sind deiner Hände Werk. Sie werden vergehen, du aber bleibst. Und sie werden alle veralten wie ein Gewand; und wie einen Mantel wirst du sie zusammenrollen, wie ein Gewand werden sie gewechselt werden. Du aber bist derselbe, und deine Jahre werden nicht aufhören.« Zu welchem Engel aber hat er jemals gesagt: »Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde zum Schemel unter deine Füße lege«? Sind sie nicht allesamt dienstbare Geister, ausgesandt zum Dienst um derer willen, die ererben sollen die Seligkeit?
Hebr 1
Von den Engeln:
Er (Gott) selbst ist der Schöpfer und Bildner der Engel. Er hat sie aus dem Nichtsein ins Sein gerufen, nach seinem Bilde hat er sie geschaffen als eine körperlose Natur, eine Art Wind und* unstoffliches Feuer 1,* wie der göttliche David sagt: „Der seine Engel zu Winden und seine Diener zur Feuerflamme macht“ 2. Damit beschreibt er die Leichtigkeit, Feurigkeit, Wärme, Eindringlichkeit und Schnelligkeit, womit sie sich Gott hingeben und ihm dienen, ihr Aufwärtsstreben und Freisein von jeder materiellen Gesinnung.
Ein Engel ist demnach* ein denkendes, allzeit tätiges, willensfreies,* unkörperliches,* Gott dienendes Wesen 3,* dessen Natur die Unsterblichkeit aus Gnade empfangen hat. Die Form und Bestimmung seines Wesens kennt allein der Schöpfer. Unkörperlich aber und immateriell heißt er in Beziehung auf uns. Denn verglichen mit Gott, dem allein Unvergleichbaren, erscheint alles grob und stofflich. Wahrhaft unstofflich und unkörperlich ist eben nur das göttliche Wesen.
Er (der Engel) ist also ein vernünftiges, denkendes, willensfreies, in Gesinnung oder Willen wandelbares Wesen. Denn alles Geschaffene ist auch wandelbar, nur das Ungeschaffene ist unwandelbar. Und alles Vernünftige kann sich selbst bestimmen. Als vernünftig und denkend hat es (das Wesen des Engels) darum freie Selbstbestimmung. Als geschaffen ist es jedoch wandelbar, es hat die Macht, sowohl im Guten zu bleiben und vorwärts zu kommen, als sich zum Schlechten zu wenden.
Unfähig ist er (der Engel) einer Bekehrung, weil er ja unkörperlich ist. Denn der Mensch hat wegen der Schwachheit des Körpers Bekehrung erlangt 4. Unsterblich ist er nicht kraft seiner Natur, sondern durch Gnade. Denn alles, was einen Anfang gehabt, hat naturgemäß auch ein Ende. Nur Gott ist immer, ja noch mehr, er ist sogar über dem Immer. Denn nicht unter der Zeit, sondern über der Zeit ist der Schöpfer der Zeiten.
Sie (die Engel) sind sekundäre, geistige Lichter. Ihre Erleuchtung haben sie vom ersten, anfangslosen Lichte 5. Sprache und Gehör brauchen sie nicht, sie teilen vielmehr ohne gesprochenes Wort einander ihre Gedanken und Entschlüsse mit.
Durch das Wort (den Logos) wurden alle Engel geschaffen und vom Hl. Geiste durch die Heiligung vollendet, entsprechend ihrer Würde und ihrer Rangordnung sind sie der Erleuchtung und der Gnade teilhaftig geworden.
Sie sind umschrieben. Denn wenn sie im Himmel sind, sind sie nicht auf der Erde. Und werden sie von Gott auf die Erde gesandt, so bleiben sie nicht im Himmel zurück. Sie werden aber nicht begrenzt von Mauern und Türen, Riegeln und Siegeln, denn sie sind unbegrenzt. Unbegrenzt sage ich. Denn nicht so, wie sie sind, erscheinen sie den Würdigen, denen sie Gott erscheinen lassen will, sondern in veränderter Gestalt, so, wie die Sehenden sie sehen können. Denn* unbegrenzt* von Natur aus und im eigentlichen Sinne* ist nur das Ungeschaffene. Jedes Geschöpf wird* ja* von* Gott,* seinem Schöpfer, begrenzt 6.*
Die Heiligung haben sie außerhalb ihrer Natur vom Hl. Geiste empfangen. Durch die göttliche Gnade weissagen sie. Eine Ehe haben sie nicht nötig, denn sie sind nicht sterblich.
Sie sind Geister, darum sind sie auch an geistigen Orten. Sie werden umschrieben, zwar nicht nach Körperart — sie haben ja ihrer Natur nach keine Körpergestalt noch dreifache Ausdehnung 7 — sondern dadurch, daß sie dort, wo sie hinbefohlen werden, geistig zugegen sind und wirken und nicht zu gleicher Zeit da und dort sein und wirken können.
Ob sie dem Wesen nach gleich oder voneinander verschieden sind, wissen wir nicht. Gott allein weiß es, er, der sie erschaffen hat, der ja alles weiß. Verschieden jedoch sind sie voneinander durch den Lichtglanz und den Stand, sei es, daß dem Lichtmaß ihr Stand oder dem Stand ihr Lichtanteil entspricht. Wegen der Überordnung des Ranges oder der Natur erleuchten sie sich gegenseitig. Es ist klar, daß die Höheren den Niederen das Licht und die Erkenntnis mitteilen.
Sie sind stark und bereit zur Erfüllung des göttlichen Willens; dank ihrer schnellen Natur finden sie sich sogleich überall ein, wo der göttliche Wink es befiehlt. Sie beschützen die Erdteile, sie stehen Völkern und Orten vor, wie es ihnen vom Schöpfer aufgetragen ist, sie besorgen unsere Angelegenheiten und helfen uns. Es ist sicher, daß sie nach dem göttlichen Willen und Gebot über uns stehen und beständig um Gott sind.
Schwer beweglich sind sie zum Bösen, doch nicht unbeweglich 8. Jetzt sind sie ja unbeweglich, nicht kraft ihrer Natur, sondern kraft der Gnade und dem Eifer, womit sie ausschließlich am Guten festhalten.
Sie schauen Gott, soweit es ihnen möglich ist, und das ist ihre Nahrung.
Sie stehen über uns, denn sie sind unkörperlich und frei von jeder körperlichen Leidenschaft, aber wahrlich nicht leidenschaftslos. Denn nur die Gottheit ist leidenschaftslos.
Sie nehmen die Gestalt an, die Gott, der Herr, befiehlt, und so erscheinen sie den Menschen und enthüllen ihnen die göttlichen Geheimnisse.
Sie weilen im Himmel, und ihre einzige Arbeit ist, Gott zu preisen und seinem göttlichen Willen zu dienen. Wie der überaus heilige, fromme und große Gottesgelehrte Dionysius der Areopagite 9 sagt,* hat die ganze Theologie,* d. i. die Hl. Schrift,* den himmlischen Wesen neun Namen gegeben. Diese gruppiert der göttliche Lehrer, der uns in die heilige Wissenschaft eingeweiht, in drei dreiteilige Ordnungen. Die erste, sagt er, ist die, die immerdar um Gott ist, und, wie die Überlieferung berichtet, ununterbrochen und unmittelbar mit ihm vereinigt ist,* nämlich die der sechsflügeligen 10 Seraphim, der vieläugigen 11 Cherubim und der hochheiligen Throne.* Die zweite die der Herrschaften, der Gewalten* und der Mächte. * Die dritte* und letzte die der Fürstentümer,* Erzengel und Engel.*
Einige behaupten nun, sie (die Engel) seien vor jeder Schöpfung ins Dasein getreten. So sagt Gregor der Theologe 12: „Zuerst denkt Gott die englischen und himmlischen Mächte, und der Gedanke ward Tat.“ Andere [behaupten] jedoch, nach der Erschaffung des ersten Himmels. Daß aber vor der Schöpfung des Menschen, darin sind alle einig. Ich stimme dem Theologen bei. Denn es ziemte sich, daß zuerst die geistige Natur, dann die sinnliche und schließlich der aus beiden bestehende Mensch geschaffen wurde.
Alle, die behaupten, die Engel seien Schöpfer von was immer für einer Wesenheit 13, diese sind ein Sprachrohr ihres Vaters, des Teufels. Denn sie sind Geschöpfe, darum sind sie keine Schöpfer. Schöpfer und Vorseher und Erhalter von allem ist Gott, der allein unerschaffen ist, der im Vater und Sohne und Hl. Geiste gepriesen und verherrlicht wird.
Hl. Johannes von Damaskus
1 Greg. Naz., Or. 38, 9 (Migne, I. c. 320 D) u. Or. 45, 5 (Migne, I. c. 629 B).
2 Ps. 103, 4 [hebr. Ps. 104, 4]; Hebr. 1, 7.
3 Wörtlich aus Kap. 33 der Doctr. Patr. de incarn. Verb. (S. 250, 1 f.), das eine Sammlung von Definitionen enthält.
4 Cf. Nemes., De nat. hom. c. 1, ed. Chr. Fr. Matthaei, Halle 1802, S. 53.
5 Vgl. Greg. Naz., Or. 28, 9 (Migne, P. gr. 36, 320 C) u. Or. 45, 5 (Migne, I. c. 629 AB). Vgl. Or. 6, 15 (Migne, P. gr. 35, 740 A).
6 Doctr. Patr. de incarn. Verb. c. 33, S. 252, 23 f.
7 Länge, Breite, Höhe.
8 Greg Naz., Or. 38, 9 (Migne, P. gr. 36, 321 A) u. Or. 45, 5 (Migne, I. c. 629 B ).
9 De hierarch. cael. c. 6, 2 (Migne, P. gr. 3, 200 D—201 A). Das kursiv Gedruckte ist wörtlich aus Pseudo-Dionysius, das übrige ist etwas abgeändert. Siehe auch Stiglmayr, Des heiligen Dionysius Areopagita angebliche Schriften über die beiden Hierarchien, aus dem Griechischen übersetzt, Kempten u. München 1911, S. 33 f.
10 Is. 6, 2.
11 Nach Ez. 1, 18; 10, 12 war der ganze Leib der Cherubim voll von Augen.
12 Or. 38, 9 (Migne, P. gr. 36, 320 C) u. Or. 45, 5 (Migne, I. c. 629 A).
13 Gemeint sind die Gnostiker.